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Feb 07, 2025 Label

Liedgut – Folge 66

Liedgut ist eine Küche für Begegnungen – mit Musik, Gesprächen und Ideen. In der 66. Folge blicken w …

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Jan 23, 2025 Festival

Kindertickets 2025 (NEU: frei bis 13 Jahre)*

*(Gilt in Begleitung von Erziehungsberechtigten)Liebe Leute, für das kommende Haldern Pop Festival h …

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Jan 03, 2025

Liedgut – Folge 65

Liedgut ist wie ein Korken, der mit einem leisen Knall die Türen zum neuen Jahr aufstößt. In unserer …

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Jan 01, 2025

Frohes neues Jahr.

Hier unser Festival Trailer 2025 Nummer 1 In der Küche brennt noch Licht.A Light is still on in the …

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von Stefan Reichmann

Volkswirkschaft

Volkswirkschaft
Editorial datt blatt 2022

Liebe Leserinnen und Leser,

Datt Blatt wird in diesem Jahr eine Zeitung. Mit ein bisschen Fantasie riecht man den Kaffee, die Brötchen und ahnt den Sprung, kopfüber in die Neuigkeiten von Gestern, ein Ritual.

Unsere Gegenwart stöhnt wie DAS BOOT beim Tauchgang in unerlaubte Tiefen. Alles Falsche der gefühlten letzten 300 Jahre meldet sich zu Wort und will nun richtig werden. Einiges wird knapp und anderes wuchert üppig, Wachstum ist für alle da. Unser Rahmen ist gesteckt, das Spielfeld wirkt vertraut und erzählt wird von den drei Tagen, den Vorsätzen, Absichten und einer für uns bewegenden Zeit seit unserem letztjährigen Festival. Wir suchen keine Zündschnur, gerne unseren roten Faden, um fortzufahren, weil nichts selbstverständlich ist. Aus diesem Grund und aus vielen anderen machen wir das jetzt, diese Zeitung, das Festival, diese verbindliche Mühe, es erinnert an unser gemeinsames Leben, unsere alltäglichen Verwebungen, bunt, festigend und warm.

Entgegenkommen I

Was so gerade um uns herum passiert, was wir lesen, erleben und fühlen, führt zu diesem schäumenden Moment der Gegenwart, einem irrlichternden Getöse aus Manipulationen, Drohgebärden, unverschämten Niedlichkeiten, Lethargie und Ohnmacht. Welche Konsistenz das Morgen haben wird, dieser Schaum, diese Gedanken, was wird bleiben, was wäre zu tun, habe ich etwas gelernt, sind wir zu retten? Die Stangen verdichten sich, während der Hang steiler wird, um reaktionsschnell die Kurve zu kriegen, muss man ein Ziel vor Augen haben. Wir leben zu schnell. Mit Jogginghosen, kleinen Hunden und digitaler Verfügbarkeit versuchen wir sporadisch am Sonntag gegenzulenken. Früher war diese Zeit wie eine bunte Blumenwiese, ein vorfreudiger Teppich der Glückseligkeit und an seinem Ende stand eine verschneite Tanne, romantisch und verklärt. Was konnte die Vergangenheit, was der Gegenwart nicht gelingt? Wann entzweiten sich diese beiden, geht das nur mir so? Aus Poesie wird Physik, meine Hoffnung folgt der Schwerkraft, fliegen wäre ein Traum, das Leben zerrt an meinem Gemüt. Ich hätte Google nicht fragen sollen.

Entgegenkommen II

Auf etwas zuzugehen, den Verdacht außen vor zu lassen, ist unsere tägliche Investition in die Liebe und das Leben. Einem bewegenden Moment geht etwas Schutzloses voraus, ein Instinkt von Vertrauen, die Dringlichkeit von Mut. Die Kinder rennen, die Jugend sprang und dann kommt die Zeit der Erfahrung, der Vorsicht, des Zweifels, die Zeit der Angst und der Einsamkeit, aus Grün wird Blau, wird Schwarz, wird Nichts.

Die zu überwindenden Distanzen für Begegnung unterliegen keiner mathematischen Formel, aber einer empathischen Wirksamkeit, der Kraft der Liebe, der Erneuerung der Energie des Lebens. Wenn zwei ältere Männer sinnierend über das Altern durch eine pralle Blumenwiese im Frühling wandern, oder kleine Kinder mit roten Backen lustig im Schnee spielen, kraftvolle Bilder, sie wirken versöhnlich und reizvoll zugleich. Das Geheimnis des Zusammenspiels der Jahreszeiten des Menschenlebens und der resonanten Natur liegt in dem generationsübergreifenden Verständnis und Wertschätzung von Jung und Alt, Gestern, Heute und Morgen, der Verantwortung füreinander und dem Natürlichen. Die Variable Mensch rennt, springt, wird langsamer, und bekommt es mit der Angst zu tun, wenn uns keiner entgegenkommt.

Entnehmen wir aktuellsten wissenschaftlichen Studien des Harvard Business Manager 5/2021, das in der westlichen Welt immer mehr Frauen sowie Männer ihren narzisstischen Peak mit ca. 30 Jahren erreichen, so entfernen wir uns von gesunden gesellschaftlichen Mehrsamkeiten und verwandeln uns zu radikal selbst optimierenden Solisten. Das zeichnet sich im Kleinen wie in größeren Zusammenhängen deutlich ab. Gesellschaftliche Strukturen mit sozialem Verantwortungsbewusstsein zerfallen, wirken eher hinderlich im allgemeinen Wettbewerb des Lebens. Europa, die Familie, Kirchen, Nachbarschaften und andere traditionelle Innenverteidigungen, können heute keine Tore mehr schießen, dass sie dort aber zu Teilen entstehen, ist der Geschwindigkeit der Zeit zu abstrakt und nicht mehr vermittelbar. Institutionen faulen, wenn ihnen die Ehrlichkeit, die Transparenz und die Biologie aus dem Ruder laufen, sich dem Jetzt entziehen, weil auch ihnen bleischwer die Angst um die Macht in den Lenden zerrt.

Wer nicht teilnimmt, nimmt zu, tritt nach, ein Trend so jung wie das Mittelalter, das Kapitalisieren von Moral, aus dem Machtzentrum der Richtigkeit, liebt und lebt vom Fehlerhaften des Anderen, verschlingt alles Falsche zum Wohle des Wahren. Was sich regt und bewegt, wird zerlegt. Der mentale Freiflug sucht nach Grenzen, sortiert sich zu und schließt sich an, um sich dran zu hängen, zu sein.

In diesem weltgewordenen Durcheinander wird auch mit Bildern und Worten geschossen, Oben ist nicht mehr Unten, geleakt, gelinkt und was ist schon gerecht? Wer die Orientierung behalten will, legt sich unter den Küchentisch bei Mutter und betet um Krümmel und alles weitere, was runter fallen darf. Morgen ist Vorne und Hinten die Erfahrung, das, was kostet, ist die Energie der Gegenwart.

Es ist nicht alles schlecht dieser Tage, besser gesagt vom Schönen wollen wir sprechen, um Gutes auf den Weg zu bringen.

VOLKSWIRKSCHAFT

Für mich bleiben die 70er Jahre das Zeitalter der ersten wirtschaftlichen Üppigkeit im Nachkriegsdeutschland. Man warf mit Beton nur so um sich, er ergoß sich wie sprudelndes Lava und verdrängte mit einer ausschließlichen Wucht die alten Zeiten, Häuser, Gastwirtschaften, Lebensweisen und Geschichten. Es ging nicht um das Weitererzählen, alles mußte neu, richtig, und wirtschaftlich sein. Unsere Eltern hatten Mittel, Freunde und Wege, glücklicherweise auch uns Kinder, die es mal noch besser haben sollten als sie, wir waren ihr resonanter Segen.

Unsere Geschichte beginnt eigentlich auch in diesen 70er Jahren in unserem Dorf am Niederrhein. Mit einer gesunden Kombination aus Pubertät und Langeweile trieb es uns aus dem Unterholz der Provinz auf die Lichtung der Öffentlichkeit. Wir hatten Ideen, Energie und das Gottvertrauen der Eltern. Unser Selbstvertrauen trainierten wir zuvor im Gestrüpp der Jugend, abseits der Autoritäten, wüst und dennoch wohl behütet.

Seit über 40 Jahren laden wir zum Haldern Pop Festival in unser Dorf, um mit der Gastfreundschaft unsere Region zu durchbluten, mit dem Anderen unseren Horizont zu erweitern, etwas Gemeinsames zu schaffen. Vertrauen wurde zum Kern unserer Geschichte, mit all unseren Dusseligkeiten und Fehlern, unserer Wärme, den Enttäuschungen, Herzlichkeiten und Wundern, als Summe jedes einzelnen. Die Qualifikation zur Teilnahme ist nicht olympisch. Es geht nicht darum bezahlt zu haben, um zu sein - ich mache mit, um zu werden.

Wir wussten, wem wir ein Telefon, Hammer oder einen Flaschenöffner in die Hand drücken konnten, ein Flugzeug sollte es nicht werden. Es ging nicht um richtig oder falsch, wenig oder viel, wir waren aufgeregte Atome mit der besten Musik der Welt. Zappa, Zeppelin und Patti Smith halfen uns zu suchen und zu finden.

Mit den Jahren hat sich etwas heraus kristallisiert, was der klassischen Betriebswirtschaft und den barocken Niedlichkeiten unserer Zeit trotzt, die Volkswirkschaft.

Trete ich vor die Tür, um sie einzutreten oder als fehlbarer Protagonist, der mit Empathie und Freundlichkeit seine Fähigkeiten ergänzt. Nicht alles ist Wettbewerb, es geht um Teilhabe, Vielfalt und Vertrauen. Wir haben zu lange die Welt mit strategischem Geschick in Zielgruppen zerlegt und kriegen diese systemverpflichteten Konsumenten-Atome nur noch schwerlich zu vertrauten Molekülen formiert.

Gesellschaftliche Schnittmengen scheinen nicht systemrelevant, Volkswirkschaft, ein anachronistisches Gesellschaftsmodell. Schritt für Schritt, mit geduldigem Wachstum, entwickelten wir unsere unternehmerischen Partnerschaften, manchmal war wenig genug und viel einfach falsch.

Das diesjährige Festival widmen wir diesen Gedanken der Volkswirkschaft, haben zu Gesprächsrunden eingeladen, werden debattieren und gratulieren Annette von Droste-Hülshoff zu ihrem 225. Geburtstag. Das Reden und geredet werden ist ein dringliches Instrument dieser Tage, wir wünschen allen gute Unterhaltung.

Es ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, etwas zu pflanzen, was andere ernten, für etwas zu begeistern ohne zu manipulieren.

Be true, not better.

Stefan Reichmann, Haldern Pop